Warning: Missing argument 1 for get_wp_user_avatar(), called in /www/htdocs/w01920e7/derschwarzesalon.de/wp-content/themes/style/author.php on line 16 and defined in /www/htdocs/w01920e7/derschwarzesalon.de/wp-content/plugins/wp-user-avatar/deprecated/wp-user-avatar/includes/wpua-functions.php on line 30

Geboren 1978 in Pößneck, wuchs M.Kruppe in der ehemaligen DDR auf und lernte als Schüler recht schnell die Vorzüge des Schreibens kennen. Reden war nicht seine Sache, schon gar nicht reden über sich selbst und so schrieb er bereits als Kind lieber die Dinge auf, die er an- und auszusprechen sich nicht traute.
Etwa zwanzigjährig begann er, das Schreiben als Berufung zu erkennen und verfasste zunächst Gedichte, bevor er begann, sein Leben in meist humoresken Kurzgeschichte aufzuschreiben, die nicht selten auch eine gesellschaftskritische Seite inne haben oder sich schlicht mit Reflexionen des eigenen Ichs und dessen Umwelt auseinandersetzen.

Kruppe ist Vater einer Tochter und lebt aktuell in Pößneck. "Lesen", sagt er, "ist wie das Schreiben nicht nur ein Hobby, sondern Passion!" Neben der Schreiberei ist er stellvertretender Vorsitzendender des Vereins Pößneck Alternativer Freiraum e.V., in dessen Rahmen er die Lesereihe Das rote Sofa und Konzerte aus dem Indipendentbereich organisiert und moderiert. Darüber hinaus moderiert er die einmal im Monat auf RadioAktiv erscheinende Sendung Stoersender Kleinstadtpisser.

Kruppe betrachtet die Literatur als eine Form der Kunst, der durch die Stimme Leben einghaucht werden muss. So unterhält er verschiedene Lese-Programme, gibt Schreibkurse und Seminare, in denen Interessierte das „richtige Lesen“ von Gedichten erlernen.


Publikationen:

Krieg im Nimmerland - Gedichtband - 2007 - EditionPaperOne

Lange Nächte in Tiflis - Reiseroman - 2015 - Adakia Verlag


Leseprogramme:

Lange Nächte in Tiflis: Solo oder musikalisch unterstützt durch Kruppes Tochter Abby, die ihn auf der Akustik-Gitarre begleitet.

Sex & Drugs & LiteraTOUR: gemeinsam mit Autoren-Kollege Benjamin Schmidt auf der Bühne. Szenisch litarisches Entertainment mit zuweilen kabarettistischem Charakter.

Dirty Old Man: Eine musikalische Charles Bukowski Lesung. Kruppe schreit, flüstert, spricht Texte von Bukowski, währen der Musiker Tilotanik zwischen den Passagen schmutzigen Blues-Punk spielt und die Texte selbst hin und wieder mit bluesigem Sound unterlegt.

Die Bagaluden: Ein Programm, dessen Ziel es ist, Literatur vorwiegend zu Unrecht unbekannter Autorinnen und Autoren vorzustellen. Der Aspekt des Humors spielt auch hier eine wesentliche Rolle, denn Entertainment ist wichtig, um die Menschen wieder zum Buch zu bekommen. Außerdem werden hier besonders schlechte Bücher mit zwinkernden Augen verbal zerrissen.


Studioprojekte:

Sphären: Düster-sphärische Klangteppiche aus Syntesizern und verzerrten Gitarren, bisweilen Drumcomputer, die wie seichte Bäche ein lyrisches Blattwerk transportieren.

Eine Veranstaltung mit M.Kruppe buchen oder persönliche Anfragen bitte über das Kontaktformular.



http://www.mkruppe.de

Ein Abend im Frühling

Bei Freunden im Garten. Viertel neun Uhr abends. Regen und Sonne wechseln sich in ungleicher Regelmäßigkeit ab. Der Mai macht seine Aprilscherze und ich genieße das Sein. Eben war es frühlingshaft hell, ein azurner Himmel an dem einige weiße Wolken ihre stoische Wanderschaft begingen, ruhig, gemütlich und mit der Geschwindigkeit eines gelähmten Wurmes.
Jetzt wiederum ist es dunkel, die Stadt ist ein tiefes Grau gehüllt, das sich mit einem saphiernen Grün kleidet, als wolle die Welt im Farbenspiel der Atmosphäre untergehen. Erste große Tropfen klatschen auf das Kunststoffdach der Terrasse und bald ist es ein Meer an Tropfen, ein Guss schweren Regens kippt sich über uns aus.

Die Nachbarn feiern den 12 Geburtstag ihrer Tochter und saufen laut, während die Jubilarin vielleicht allein gelangweilt in ihrem Zimmer sitzt, die Verwandtschaft verflucht, sich für die Peinlichkeit der Erwachsenen schämt und ihre Barbies verbrennt. Mit 12 spielt man nicht mehr mit Puppen. Mit zwölf ist man fast erwachsen. Die Rebellion gegen alles und jeden, gegen Gott und die Welt beginnt. Was sind schon Puppen gegen Rotz und Trotz. Was sind die kindischen Kinkerlitzchen aus der Spieltruhe gegen Piercing, Joint und laute Mucke?!

Der Feier ist die Gabe zu verdanken, den in Langeweile geahnten Abend gut betrunken zu beginnen.
Eine Flasche Teufelsgemisch als Schenkung über den Zaun. Ob uns der Nachbar nur bestechen wollte, nicht die Bullen zu rufen, weil er weiß, dass es bald sehr laut sein wird in seinem Haus? Wodka, Rum, Rotwein und Himbeersirup, alles in einem Gesöff. Was für ein Mix. Schon nach dem ersten Glas ist mein Blick gestochen scharf. Die Welt liegt mir zu Füßen und bietet sich mir in ihrer Herrlichkeit dar. Fast meine ich, die Photosynthese beobachten zu können, so klar und scharf liegt alles Ist um mich herum und sticht meine Augen hellwach.

Ein Blitz zuckt über die Kleinstadt die sich ins feingrüne Frühlingskleid geputzt hat.
Ben Becker singt aus der Stereoanlage von einem verstorbenen Freund.

Lass uns etwas Verrücktes machen! Lass uns nackt im Regen tanzen! Ich will lebendig sein! Lebendig, hörst du?! Scheiß auf Pflicht und Morgen. Lass es uns jetzt tun! Trinken wir den Schmutz von der Oberfläche! Saufen wir die Welt sauber, auf dass eine verkaterte Reinheit das neue Morgen schafft! Wo ist die hysterische Euphorie einer wahnsinnigen Lebendigkeit, wenn ich bereit und wahnsinnig euphorisch bin?!

Der Regen kracht auf das Plastikdach, dass es klingt, als wolle es bersten. Der Donner grollt ungeheuer unten und wir sitzen und schweigend, ohnmächtig ob der Schönheit des Jetzt in diesem Draußen. Blitze zucken in beständiger Regelmäßigkeit vom inzwischen tiefdunklen Himmel als wollen sie Bestätigung schreien… Bestätigung für die absolute Genialität dieses Augenblicks.

Dreht durch ihr Menschenfürze!
Dreht durch ihr abfallartiges Gesocks!
Dreht durch ihr Lumpenpack!
Feiert die Reinheit einer Katastrophe Mensch!
Feiert das Ist und epiliepsiert euch durch die Schönheit!

Die südliche Hangseite der Kleinstadt, auf die ich thronend blicke, liegt schon wieder im Schein der Abendsonne, während hier auf dem Nordhang die nassen Trommler die Musik übertönen und der Donner wie schwere Wein gefüllte Eichenfässer über unsere Köpfe rollt.

Grandiosität! Es riecht nach Leben! Es riecht nach Frühling, nach Regen, nach Sein!

Aufspringen! Leben!

Es klingt, als durchschlage der Regen gleich das Dach. Von Ben Beckers Musik ist nichts mehr zu hören. Die Blitze schießen sekündlich aus dem Himmel und das Grollen des Donners ist ein Dauerton geworden.
Der Wind kühlt mein euphorisch glühendes Gesicht. Die Herrlichkeit dieses Augenblickes ist unübertroffen!
Noch einen Schluck Schnaps meine Freunde! Hoch die Gläser, lasst uns zusammen auf dem Kahn Leben über die Styxe dieser amoralischen Welten reiten! Lasst uns in den Fluten ertrinken, auf dass wir neue Menschen werden!
Was wollen wir mehr? Was um alles in der Welt wollen wir denn noch mehr? Die Perfektion eines Momentes! Rausch und Sein und Sein und Rausch!
Auf all den Abschaum geschissen, der uns das Ist schwer macht! Hier und jetzt ist kein Abschaum. Das Rudel liegt verstreut in seiner Unzulänglichkeit, fern ab allem Hiersein!
Hier ist nur Lebendigkeit und Sein… und Wohlfühlen und Rausch und Schnaps und Musik und Regen und Frühling und Herrlichkeit…

Auszug aus „Lange Nächte in Tiflis“

Das Buch entstand während eines Besuches im Winterlager des leavinghomefunktion Projektes. Das ist eine Künstlergruppe aus Halle, die innerhalb von zwei Jahren mit alten Ural Motorrädern auf dem Landweg (nördliche Halbkugel) nach New York fährt. Ich schreibe regelmäßige Berichte auf meinem Blog, für die Hörer- und Lesercommunity von MDR Figaro und die Mitteldeutschen Zeitung.

Die Eso-Tante

In der Diskussion einiger Passagiere mit dem Flugpersonal fällt mir eine Frau mit Brille, rotem Schal (sehr markant) und Lockenkopf auf. Groß ist sie und leicht korpulent. Ich beobachte sie eine Weile und stelle fest, dass sie deutsch und türkisch spricht. Und das ist in Anbetracht der akustischen Qualität der Durchsagen von wesentlichem Vorteil, denn wie du weißt, spreche ich ja nur bedingt englisch, nüchtern fast gar nicht und wenn alles eher eine breiige Sprachmasse ist, die da aus den Lautsprechern kleckert, dann hab ich verloren. Türkisch verstehe ich sowieso nicht und also bin ich tatsächlich abhängig von der Bewegung der scheinbar verstehenden Menge und denen, die mich aufklären können.

Nach der zweiten Ankündigung, die klar macht, dass der Abflug um eine weitere Stunde verschoben ist, spricht sie mit dem Personal und verlässt den Boardingbereich. Ich folge ihr und spreche sie an, frage, was das Problem ist. Eine Hürde für mich, denn mit fremden Menschen in Kontakt zu treten ist so gar nicht meins. Aber die Neugier in Summe mit der Ungewissheit ist gravierender und so springe ich über meinen Schatten. Sie weiß es nicht. Die alte, türkische Frau mit Kopftuch neben ihr, die fragen lässt, ob ich ein Künstler sei, weiß es nicht und das Personal selbst weiß es nach Aussage der Beiden auch nicht. Auf jeden Fall ist weiter Warten angesagt.

Wie sie drauf käme, dass ich ein Künstler sei, frage ich die türkisch sprechende Deutsche, die wiederum meine Frage übersetzt und zur Antwort gibt, dass man mir das ansehe. Ich sage, dass ich Autor bin, demnach also so etwas ähnliches wie ein Künstler und beide Frauen freuen sich ob meiner Antwort. „Sehen sie,“  sagt die Deutsche „meine Freundin hier hat die Gabe des Blickes. Ich habe sie vor einer Stunde hier kennen gelernt und sie ist eine ganz liebe, eine Frau mit einer weichen Aura. Sie kann Menschen sehen!“

What??? Wo bin ich denn hier hingeraten?

Ich bedanke mich für die Auskunft, verschwinde auf die Raucherterasse und beschließe, mich von nun an so unauffällig es geht an diese Esotante zu hängen. Aber eben möglichst so ungesehen, wie nur irgend möglich, denn schon nach wenigen Sekunden weiß ich, dass sie sich sehr gern selbst reden hört und dabei binnen weniger Minuten einen Blödsinn labert, wie alle Moderatorinnen von Astro- TV an einem Tag zusammen.

Zurück vom Rauchen nehme ich eine Reihe hinter ihr, in ihrem Rücken Platz, hole Kladde und Stift aus dem Rucksack und schreibe diese Zeilen, als sie plötzlich neben mir steht und fragt: „Für den Schriftsteller eine Gebäckstange?“ während sie mir ihr Angebot in Form mehrerer dieser Gebäckstangen unter die Nase hält, dass ich es gar nicht ignorieren kann.
Hat sie den Hunger gehört? Oder war das eine himmlische Eingebung? Hat es ihr womöglich ein Engel geflüstert? Auf jeden Fall kommt sie gelegen, und selbst, wenn ich sie ignorieren könnte, halte ich es nicht aus, das Angebot auszuschlagen. Ich fingere zwei Gebäckstangen aus der durchsichtigen Tüte und bedanke mich freundlich.

Nicht viel später, da sie ja nun auf mysteriöse Weise wusste, wo ich sitze, dreht sie sich um und hält mir die Tüte mit dem Essen grinsend entgegen. „Wollen sie noch eine? Kommen sie, setzten sie sich doch mit zu uns. Wir sind doch sowas wie eine Leidensgenossenschaft. Wie eine Familie. Aber wir wollen uns mal nicht aufregen, dass sich hier alles so verzögert, nicht wahr, es geht ja ums Ankommen und nicht um das Wann, wenn unser Leben vielleicht auf dem Spiel steh, da verstehe ich schon die Verzögerung, wenn es scheinbar um unsere Sicherheit geht. Ich meine, man sieht ja, was da draußen wettermäßig los ist und da ist es mir egal, wie lange ich hier sitze, solange ich weiß, dass man uns nicht eher starten lässt, bis das Wetter sich bessert, es hat ja keinen Sinn auf Biegen und Brechen loszufliegen und dabei ein Risiko einzugehen, so viele Menschenleben aufs Spiel zu setzen, wissen sie, was ich meine…“ „EY! HOL MAL LUFT!“ denke ich… neige beschämt mein Haupt und sehe mich aus den Augenwinkeln um, ob uns irgendwer beobachtet oder gar zuhört. Hätt ich doch bloß nicht so einen Hunger, ich hätte einfach freundlich nein gesagt und das Ganze wäre erledigt gewesen. Aber nein, der dämliche Instinkt, den Hunger zu befriedigen, der Auslöser dafür war, das logische Denken für den Bruchteil einer Sekunde der Entscheidung auszusetzen, zu lähmen, zwingt mich nun, hier, neben der Dame zu sitzen, die ganz sicher kein böser Mensch ist, im Gegenteil. Sie ist lieb. Sie ist voll von Liebsein, voll von Toleranz und Respekt. Voll von Liebe selbst und das alles muss so in ihr köcheln, dass sie es mit der ganzen Welt teilen muss, weil sie sonst schlicht und einfach explodiert. Und das will hier, in Anbetracht ihrer fleischigen Masse, keiner. Denn dann würden wir nicht nur wegen des Schneesturms festsitzen, sondern auch, weil ein Großteil des Flughafens zerstört wäre.

*

Die Dame bietet mir also eine weitere Gebäckstange an, ich setze mich zu ihr auf die rückwärtsgewandte Sitzreihe, Lehne an Lehne quasi, sie stellt sich mir mit Namen vor, ich vergesse ihn gleich wieder und nenne den meinen im Glauben, sie vergisst ihn gleich wieder. Die korpulente alte Türkin mit dem freundlichen Gesicht sagt etwas in meine Richtung und lächelt. Meine neue unbekannte Bekannte übersetzt: „Sie wusste, sagt sie, dass du ein Künstler bist. Sie sagt auch, dass du aussiehst wie ein Schauspieler.“ Ich lache, sie lacht, da lacht auch die alte Türkin und ich antworte, dass noch werden könne, was nicht sei, denn Schauspieler bin ich natürlich nicht. „Ja, man soll ja nichts unversucht lassen!“ sagt meine neue deutsche Freundin und beginnt mit diesem Satz ein pseudoesoterisches Essay über Leben und seinen Sinn, über Taten im Sein und den Wille die Dinge zu ändern und zu beeinflussen, auch, wenn sie vorgegeben seien, dass ich schon nach einer Minute bereue, mich als den Unwissenden in Sachen Flug und Sprache offenbart zu haben. Sie einfach nur im Auge zu behalten und ihr zu folgen wäre eben doch besser gewesen, als mich trottelig vorstellig zu machen und mir somit diesen Schwall magischer Dämlichkeiten ins Ohr kleckern zu lassen.

Dann stellt sie mir auch noch den zur alten Türkin gehörenden Sohn vor. Optisch hätte ich ihn eher in die Ecke „Kinderschänder“ gesteckt, der noch zu Hause wohnt, Mamis Schoßhündchen ist und das Böse aber in ihm schlummert und ihn regelmäßig an wehrlosen Opfern zu heldenhafter Größe vor sich selbst wachsen lässt. Aber man soll Vorurteile und scheintypische Physiognomie ja bekanntlich nicht Rechtssprecher des ersten Eindrucks sein lassen. Er sei, so erzählt mir die plappernde deutsch türkische Esotante, OP Helfer in einem türkischen Krankenhaus und zeigt mir zum Beweis ein Bild von ihm und seinen Kollegen, auf seinem Handy, das er eben eigentlich ihr zeigen wollte. Aber sie reißt es ihm aus der Hand, der da nur verdutzt guckt und sich und ebenfalls zu mir umdreht, als kennen sich die Beiden schon ewig. „Er hat so eine wahnsinns positive Aura!“ schwärmt sie. Na von mir aus, denke ich und wünsche mir ein Zeichen von irgendwo oben, sollte es doch einen Gott geben.
Und plötzlich eine Durchsage unseren Flug betreffend (ich bleibe trotzdem weiterhin Atheist), der von 11.45 Uhr auf 12.45 Uhr und dann auf 13.45 Uhr verlegt wurde. Erneut Gate-Wechsel. Die Ochsenherde trottet, nun allmählich sauer, raus aus dem Gate, den langen Gang nach vorn, in das Gate in dem wir vor einer Stunde schon einmal saßen. Hier bleiben wir dann bis zur nächsten korrigierten Ansage. Nächstes Gate ganz am Ende des Ganges, auf der anderen Seite des Airports. Dort waren wir noch nicht. So lernt man einen Flughafen auch kennen.
Ich entferne mich ein wenig von der Esotante, aber nur soweit, dass ich sie nicht vollends aus dem Blickfeld verliere.  Sie hat meinen Namen nicht vergessen. Vier mal ruft sie ihn und also mich in den nächsten dreißig Minuten, blickt mich dabei lächelnd an und … winkt mir zu. Ich wiederhole das nochmal: sie ruft grinsend meinen Namen! Lächelt! Und winkt!
Was zur Hölle ist hier los? Fluche ich zu viel? Ist die Atheisten-Entscheidung vielleicht doch falsch? Oder habe ich es mit einer seltsamen Metamorphose einer Dreizehnjährigen zu tun, die im Körper einer vierzig Jahre älteren Frau steckt? Schön, dass sie auf mich aufpasst, dass sie scheinbar eine Aufgabe gefunden hat, eine kleine Herde sprach-unkundiger Schafe um sich zu scharen, binnen kürzester Zeit, die sie hüten kann, aber bitte: Namen rufen und winken?! Das war mir im Kindergarten schon peinlich!

Sozialkritisches

Vorhin im Burger King am Südkreuz habe ich mich seltsam gut gefühlt. Selbstbewusst und voll von einer erstaunlichen Energie, deren Gegenwart ich erst bemerkte, als ich dort saß, über das schlechte Gewissen nachdachte, in dieser Schinderhalle zu essen, sie auch noch zu erwähnen, hier, öffentlich, vor dir, ist eigentlich eine Farce aber ich saß da und dachte mir: scheiß drauf! Blöder Gedanke im Zusammenhang mit einer solchen „Einrichtung“ ich weiß, aber es war mir egal, ich hatte scheiß Hunger, hatte kaum etwas gegessen und war schon lange auf den Beinen. Und diese Dreckskette war die einzige Lösung.
Ich aß und beobachtete die Leute, die gehetzt durch den Bahnhof rannten, als wollten sie ihr Leben einholen. Und ich fühlte mich überlegen. Nach allem, was nun hinter mir lag, was ich erfahren und lernen durfte, fühlte ich mich mächtig überlegen. Denn es ist doch so, dass die Wenigsten von ihnen wirklich wissen, was das ist. IHR LEBEN…. Das ist doch nur Alltag, Arbeit, Geld und Status. Das völlige, das absolute Gegenteil dessen, was ich in den letzten fünfzehn Tagen erlebt habe. Und ich meine erLEBT. Ich glaube, Leben ist doch vor allem, bei sich zu sein. Ehrlich in sich und für sich. Nicht für einen Job, der die Hälfte des Tages auffrisst und den meisten dieser Gehetzten da draußen nicht einmal gefällt, geschweige denn Spaß macht. Deshalb sagen sie, das Leben sei kein Ponyhof. Scheiße doch!

Aber sie haben ihn mit ihrer blinden Hetzerei zubetoniert, haben die kindliche Idylle mit Pflaster und Verkehrszeichen, Ampeln und Fabrikkomplexen, unter ihrer scheinheiligen Moral des Reichtums als oberstes erstrebenswertes Ist zerstört und glauben inzwischen an die dumme Phrase, dass Arbeit keinen Spaß machen muss. Doch verflucht! Arbeit muss Spaß machen, damit sie nicht krank macht.

Ich bezweifle nicht, dass der Mensch sich hin und wieder zwingen muss, Dinge zu tun, die er im Moment gar nicht tun will, aber das ist eine Sache des Blickwinkels, des Wofür und des Wielange! Wenn ich nicht für den Rest des Tages frieren will, muss ich eben wider meiner Gewöhnung früh im Kalten aufstehen, Holz hacken und Feuer machen. Und ich muss mir das zu hackende Holz irgendwo besorgen. Und ich muss für meinen Lebenserhalt etwas machen. Aber eben nur für meinen! Für den einer Gemeinschaft eventuell, die ich mir jedoch selbst gewählt habe, aber nicht, um einzelne Menschen zu Profiteuren dessen zu machen, was ich eigentlich nur meinetwegen mache.

Und das ist, zumindest in etwa, das, was die Fünf (sechs) des leavinghomefunktion Projektes machen. Man könnte meinen, sich auf ein Motorrad zu setzen und einfach blauäugig , mit zwei Schippen Romantik im Gepäck loszufahren, sei kein Job, bedürfe keiner Anstrengung, keines Zwanges und/oder Kampfes. Man geht jedoch völlig fehl in dieser Betrachtung. Die letzten beiden Wochen waren Urlaub für uns alle, und doch wurde gearbeitet. Organisation, Steuererklärung, Interviews, die notwendigen Schraubereien an den Maschinen, das zusätzliche Bestreiten des Alltags mit bis zu acht Gästen auf engem Raum, die energetische Bewegung innerhalb des Quintetts, das so zusammengeschweißt durch die letzten Monate fuhr, ja, fast ein Jahr intensiver, harter Arbeit ging ins Land und dass durch diese Situation jeder für sich vor eine Herausforderung gestellt war, das Planen ins Morgen, Visa beantragen, geographische, meteorologische Eigenheiten der Gebiete studieren, die auf sie warten, Plan B und C organisieren, Drehbücher schreiben und Filme für gewisse Unterstützer machen, und bei allem Mensch, Individuum bleiben, zu gleichen Teilen Ich und Wir, ich meine, das ist Arbeit.

Vielleicht lehne ich mich zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass das Schaffen derer zuweilen mehr Kraft, Geduld, Ausdauer, völlig Hingabe und teilweise Aufgabe fordert, als der Job am Fließband, in der Fabrik, auf der Baustelle, im Büro etc. wo auch immer. Denn hier ist immer Arbeit. Den ganzen Tag. Hier ist kein Feierabend, kein Urlaub.
Ich sage nicht, dass die Arbeit, die du und ich machen von minderem Wert ist, keineswegs. Das aufzuwendende Kraft- und Energiepotential jedoch ist, nach dem, was ich beobachtete, höher. Und es fehlt die feste Struktur eines gegebenen Arbeitsrahmens.

Und deshalb meinen vielleicht einige, diese Fünf seien hoffnungslose Romantiker, wenige würden sie vielleicht sogar als „Asoziale“ bezeichnen, oder als Träumer, die noch irgendwann „den Ernst des Lebens“ erkennen werden. Ich aber sage: Den Ernst des Lebens begreifst du, wenn du zwei Wochen mit dem Quintett unterwegs bist! Denn dann begreifst du erst wirklich, was eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, den Ernst des Lebens zu begreifen, denn du musst dazu erst einmal wissen, was LEBEN überhaupt ist!

Es ist nicht das, was dir als solches weiß gemacht und vorgelebt wird! Es ist nicht das, von dem du meinst, es sei das Richtige im Tun, weil es es alle tun. Verstehe mich nicht falsch, ich will keinen Abenteurer aus dir machen. Ich will nicht implizieren, dass nun alle Menschen eine solche Reise machen sollten. Ich will gar nichts aus dir machen, aber ich will sagen, dass es verdammt nochmal wichtig ist, sich selbst in all seinem Denken und Tun in Frage zu stellen, das Leben nicht als Konstrukt zu begreifen, sondern als etwas EINZIGARTIGES. Und so viele Menschen lassen es verkommen und verschwenden es daran, alles andere als einzigartig, sondern massenkonform und „gesellschaftstauglich“ zu sein.

Ich schrieb es an anderer Stelle schon: Leben ist die Summe der Jahre, der Monate, der Tage, Minuten, Stunden, Sekunden in denen du lebendig bist. Das ist Lebenszeit. Und Lebenszeit ist das Einzige, was du wirklich besitzen kannst, was dir, und nur dir gehört, und so viele Menschen lassen sie sich weg nehmen.

Ich habe einiges gelernt in den letzten Tagen und du bist Zeuge dieses Prozesses. Ich habe einmal mehr begriffen, dass gesunde Selbstkritik ein so wichtiges Gut ist. Dass Einsicht in Ehrlichkeit zuerst vor sich selbst und erst dann im Umgang mit den (anderen)Menschen funktionieren kann. Denn wer sich selbst belügt und sei es aus Unerfahrenheit, der belügt auch seine Mitmenschen.

M-Kruppe-Lange-Naechte-In-Tiflis

Vom Genuss der Lebendigkeit

Es ist kalt heute Morgen. Nicht nur draußen auf dem dunklen Pflaster, in den Straßen und Gassen, auf den Wegen zur Arbeit oder von der Arbeit, auf den frühen Einkaufswegen. Auch hier im Café ist es kalt. Mir frieren jagende Schauer durch den Körper und ich denke an den Sommer, verliere mich auf der „Walz“ durch trunkene Nächte, schläfrig durchwatete Tage, um weiter zu kommen, immer weiter ins nächste Paradies einer Lichtung, eines Ufers an einem rauschenden Fluss oder einem säuselnden Waldbach, wo ich mich niederlasse nach stundenlanger Wanderung und meine Plane spanne und mir ein Feuer mache und die Schnapsflasche aus dem Rucksack wühle, mein Büchlein hervor krame und das Gewesene eines warmen, sonnigen Tages aufschreibe, dabei trinke und an einer dürren Scheibe Brot kaue.
Im violetten Licht der sinkenden Sonne genieße ich die Paradiese, trinke mir die Fähigkeit einer wortlosen Liebe an, trinke mich in einen Rausch, wo Genießen und Lieben so maßlos sind, dass ich keinen Ausdruck finde.
Wahre Schönheit kannst du nicht in die engen Stuben einer Sprache zwingen. So ist es auch mit wahrem Genuss. Du kannst dem violetten Himmel ein ganzes Buch in der blumigsten Prosa widmen, aber du wirst es nicht schaffen, auch nur einen geringen Teil des Genusses wiederzugeben, der dich fühlen macht, dass du lebendig bist. LEBENDIG!
Die flimmernde Luft dieser farbigen Abende die du verstärkst mit deinem Schnaps, die tausend Geräusche und Millionen Gerüche, du wirst nie sagen können, was für ein Glück in diesen Momenten liegt. Nie, hörst du!
Und da lieg‘ ich unter dem großen Himmel der jetzt schwarz ist und bespritzt mit funkelnden Klecksen eines Pinselspiels der Götter, im Schein meines Feuers und satt selbst von dürrem Brot und trunken auch von billigem Fusel und schreibe und mein Schreiben ist der stumme Schrei, der mir aus dem Leib fällt, weil ich so lebendig bin, jetzt, hier, an diesem melancholischen Bach mit seinen leuchtenden Kieselsteinen und seinem Bett, in dem er nie schläft.
So ein Glück ist das, dass ich so schreien muss, um nicht im Genuss zu ersticken, um nicht im Druck dieser wohligsten aller Lebendigkeiten, auf weichem Waldboden, umgeben von hölzernen Riesen mit ihrer stummen Lebendigkeit, im Druck dieses glücklichen Rausches, in tausend Teile zu zerspringen.
Ich schreibe meinen Schrei und kann dir doch nicht sagen, welche Schönheit mich lebendig macht. Meine Worte sind nur Zehntel!
Und nichts, dass dich jetzt neben mir Platz nehmen lässt. Ach wärst du doch jetzt hier. Hier, mit mir, an meinem Feuer das unser Feuer ist, das brennt für mich und für dich. Ich gäb’ die Hälfte meines Brotes und die Hälfte meines Schnapses, ich gäb’ dir die Hälfte meiner Lebendigkeit und wäre doppelt lebendig, weil ich teilen kann. Weil du da wärst. Ja, du! Du, der du eben meinen Schrei hörst, so glücklich, so lebendig zu sein.
Und bald ginge rot die Sonne im Osten auf und würde uns wecken und wir würden -ein bisschen zerknittert- erwachen und uns die Nacht im klaren Bach abwaschen, die Schlafsäcke verstauen und den Schnaps, würden die Rucksäcke schnüren und aufbrechen ins nächste Paradies.
Und wir würden reden und schwärmen und schwitzen und laufen und uns ein Paradies suchen, oder ein Dorf mit einem kleinen Dorfladen, einem alten Krämer, der uns Brot verkauft und Schnaps und uns Wurst von gestern schenkt und guten Weg wünscht und froh ist, weil wir „Wandersleute“ sind wie er sagt, Leute, aus einer grau gewordenen Zeit, die es kaum noch gibt.
Und dann würden wir an Rainen entlang zum nächsten Paradies laufen und uns niederlassen und ein Feuer machen, das frische Brot kauen und Schnaps trinken und genießen, einfach nur die Lebendigkeit genießen und die Schönheit.
Und dann, wenn die Nacht gerade gekommen ist, wenn sich die warme Dunkelheit auf das Land gelegt und uns zugedeckt hat, dann würden stumme Blitze da hinten am Horizont zucken. Taktlos illuminierte Spiele.
„Wetterleuchten.“ –würdest du sagen und ich würde bloß nicken und lächeln und noch einen Schluck Schnaps trinken, dir die Flasche reichen und wir würden in den Himmel sehen, an dem die Wetterleuchten spielen und Wolken kommen, die in ihrem ebenso taktlos tanzenden Reigen die Sterne verdecken.
Ein Wind würde aufkommen. Ein sanftes Wehen erst, das dann stärker wird und stärker, dass die Glut unseres Feuers zerstiebt, die Flammen anfacht und kleine, glühende Spritzer in die schwarze Nacht jagt wie rotheiße Insekten im Paarungswettstreit eines euphorischen Triebes.
Ein übermütiger Regentropfen würde mit einem leisen Zischen auf dem kohlig weißglühenden Scheit verdampfen. Ein kleiner, einsamer Tropfen, vor gesandt, die Lage zu erkunden und sein schüchternes Dampfen ruft einen Bruder und noch einen und plötzlich würde ein Heer von Tropfen uns überfallen, als wollten die nassen Brüder und Schwestern den Tod des Spähers rächen.
Ein Zischen und Dampfen, Pochen und Klopfen würde losbrechen und wir würden eilig unsere Schlafsäcke unter die Plane zerren und uns unter ihrem schützenden Dach auf die Bäuche legen, den Kopf in die Hände stützen und dem Trommeln der Tropfen auf dem Kunststoffhimmel lauschen und dem Verdampfen der wütenden Brüder und Schwestern im Feuer zuhören, das nur noch ein kleines bisschen züngelt. Ein Krieg der Elemente. Kino im großen Glück der Lebendigkeit. Immer noch ist so Genuss!
Was ist ein warmer Sommerregen doch ein großes Schauspiel aller Schönheit Jetzt?!
So Wohlfühlen ist in diesem glückbringenden Schauer. Und der Schnaps schmeckt und die Kühle des Regens ist angenehm und die Wetterleuchten sind Blitze geworden. Blitze, die mächtig alles erhellen, Wege gehen, herab eilen auf der Suche nach Entladung. Und sie haben ihren grollenden Donner mitgebracht, der dumpf über unsere Köpfe rollt als rücken die Götter die hölzernen, schweren Betten zusammen um nahe beieinander zu liegen.
Aber du bist nicht hier. Ich muss das alles allein genießen.
Ich bin gezwungen, diese bezaubernde, unvergleichliche, alles umhüllende, prickelnde Schönheit allein zu genießen. Allein!
Ach wäre dieser Genuss doch nur teilbar. Genuss ist wohl das Einzige, was sich verdoppelt, sich verdrei- vervielfacht, wenn du es teilst.
Ich teile nur mit den Spinnen und Käfern, die sich unter meiner Plane in Sicherheit bringen. Und ich heiße sie willkommen und biete ihnen Brot an und Schnaps und rede mit ihnen und erzähle ihnen von meiner Sehnsucht nach einem Menschen, denn sie, die Spinnen und Käfer, antworten nicht. Stumm starren sie mich an, denn sie hören mir zu, die Spinnen und die Käfer. Sie sind gute Zuhörer. Aber sie sind auch schlechte Ratgeber für einen wie mich, der sie nicht versteht.
Und darum rede ich und rede, erzähle ihnen alles, was ich gerade weiß, erzähle ihnen vom Genuss und der grandiosen Lebendigkeit und biete ihnen noch einen Schluck Schnaps an und dabei fällt mir ein Satz von Françoise Villon ein: „Es ist kein Tier so klein, dass nicht dein Bruder könnte sein!“
„Prost meine Brüder und Schwestern!“ –sage ich und irre mich gewiss, als ich ihren Chor höre: „Prost, du Mensch! Du guter Mensch, der uns nicht verjagt und nach uns schlägt, uns zerdrückt und zertrampelt und der uns achtet und uns Obdach gibt, wo es doch so regnet gerade!“
Ich trinke noch einen Schluck und kriege gar nicht mit, dass es aufgehört hat, zu regnen. Von weit hinten, aus der Richtung, wo das Dorf verschlafen in seinem Tal liegt, mit seinem kleinen Laden und dem hutzeligen Krämer, dem freundlichen alten Mann in seinem gräulichen Kittel, der mir das Brot verkaufte und Wurst von gestern schenkte, heute Nachmittag, als wir beide bei ihm waren, von dort her grollt der müde Donner noch ein bisschen und wie ich einschlafe, ist alles still.
Ich erwache.
Es ist kalt geworden. Mir frieren jagende Schauer durch den Körper. Neben mir sitzt ein Bekannter und fragt, wie lang meine Pause eigentlich ist. Ich sehe auf die Uhr und erschrecke. Vor einer halben Stunde schon, hätte ich zurück auf Arbeit sein müssen.
Sechzig Minuten sitze ich schon hier, wandere durch sommerliche Wälder, schlafe in nächtlichen Regen, trinke und rede mit Spinnen und Käfern und dir, der du nicht da bist.
Die Pfeife in meinem Mundwinkel ist längst kalt. Der Tabak ein harter Klumpen grauer Asche. Und hier drin ist es kalt. Und draußen ist es kälter.
Ich bezahle, ziehe mir die Jacke über und mache mich auf den kurzen Weg, in der Hoffnung, mein Zuspätkommen wird nicht auffallen.

Vertontes: Götter

Die Berliner Formation Digital 440 vertont mein Gedicht „Götter“.
Eine Kooperation für das kommende musikalische Gedichtband „Und in mir Weizenfelder“, das mit einer CD erscheinen soll, auf der verschiedenste Kapellen die Gedichte des Buches interpretieren/vertonen…
Ich freue mich, „Götter“ als Prämiere präsentieren zu können.

 

Gedichte

Piraterie am Leben

Fresst meinen Kuss ihr Säue
Die Sirenen haben sich an mir hässlich gesungen
Und ich bin immer noch auf See
Meinen Kahn durch tausend Unwetter getrieben
Treibe ich -heimatlos-
Durch alle Dus und schreibe leise weinend
Meine Memoiren auf der Gefährten tote Leiber

Ich habe lange schon das Gift zersetzt
Und mich aus meiner Welt befreit
Das Schlimm aus meinen Lungen geatmet
Um jetzt noch trostlos feige Rauch zu kosten
Und Tau und Nebelschwaden
Aus der Götter weiter Himmel

Wasserleichig fault das Schiff
Das mich durch alles Morgen trägt
Und kann so jeden Tag den letzten nennen
Indess ich große Orgien feier
Auf dem Rücken einer mit mir sterbenden Welt

Das Wachs in den Ohren meiner Mitmenschen
Wird härter noch als ich je dachte
Und so peitschen sie uns durch die Meere
Auf dass kein Heimkommen am Horizont
Das Ziel verspricht
Das nie, und niemals existierte
Keine Rast ist uns zum Fluch
Und kein fester Boden der nie gesprochne Wille

Immer aber, immer
Atme Ich den Unwille des eigenen Seins
Und raube Lastenschiffe aus
Weil nur eins mich aus dem Hafen trieb
Und nun mir alle Heimkehr widersagt:

Die heilige Neugier der Piraterie!

Zwanzig Jahre Freiheit

Durch meine Adern schlägt sich ein von Welt besoffnes Neu.
Das Ungeborene Kind einer nicht beabsichtigten Affäre
Zwischen Rausch und Raelität
Wächst tief in meinem Fleisch zu einem Nichts heran
Und schreit schon pupertär Rebellion ein meine Glieder.
Da ist Tief nur noch ein Wort, das kein Versprechen hält,
Denn tiefer noch als jetzt
Kann ich nicht gehn
Ohne mich in mir, auf schauerliche Weise
Zu verlieren.
„Opfer seinerselbst und des Rausches“ hieße es dann

Doch bin ich weder Opfer noch ich selbst
Und auch nicht Rausch, noch Wirklichkeit.
Ich bin das Muss all eurer Wege
Die zu gehen ich mich in die Pflicht begab,
als ich den ersten Atemzug tat,
und mich schuldig machte, eure Luft zu inhalieren.
Da nutzt auch kein „es tut mir leid“ etwas
Die Phrase eurer Hockultur,
euch zu ENT – schludigen
nahm ich doch, wo ich nicht geben kann.
Ein Faust in einer mephistophelesierten Existenz
Ein aus Unwissen und Unschuldigkeit summierter,
Abstrakter Pakt, den nicht ich, sondern ich einging!
Ist scheidet sich ab von mir,
indess es sich an mich näht
Mich losstößt und an sich bindet
Als sei das Morgen stahlblanker Zufall,
Derweil in mir ein komisch Neu pulsiert
Und pupertär Revolte pumpt
In Blutgefäß und Muskelstrang
Und laut ein verneindes Ja manifestiert
Das niemals selbst auf Antwort stößt,
kennt es doch diese eine Frage nicht:
Warum?

Hiobs Erbe

Ich hab verschmutzte Luft gegessen
Und mir eitrig offensichtlich
Zeitzeichen in die Haut geschnitzt
Um alle Fährmänner
Auf allen Flüssen
In alle Unterwelten
Vom Leben zu überzeugen!

Dabei schienen mir Sonnen
Ins Biestgesicht
Und hautverbrannt
Schabte sich das Leben an mir vorbei
Dass ich ein Nichts bin
und nichts als ein Nichts.

Ich habe Gifte geschluckt
Und die Menschen weinen sehen
Dabei ich nie anders war
Als aller Trauer tiefer Fluch
Und mich bespuckt
Und verhasst
Und doch geglaubt,
Dass das Leben einmal
einmal nur
Auch mich beatmet.

Und ich habe gelebt!
Mit allen Sinnen
Allen Worten
Allem Fühlen
und fiel dann tief
und falle noch
Weil Leben auch nur Sterben ist.

Nun bete ich zu allen Fährmännern
Aller Flüsse
In alle Unterwelten,
Dass einer nur
nur einer
Die Signen meiner Unendlichkeit verkennt,
Mich zu holen!
Und überzusetzen
in die Wahre
Unendlichkeit!